Jo Erlend Sund hat sich mit seinen exzellenten norwegischen Szenerien (u.a. Tromsø, Oslo, Trondheim) bereits einen hervorragenden Ruf in der Flugsimulatorgemeinde erarbeitet. Da Sund die meisten dieser Szenerien über Aerosoft vertreibt und vermarktet, erschien es nur folgerichtig, dass die Zusammenarbeit mit dem deutschen Publisher über kurz oder lang ausgebaut und auf andere Szenerien außerhalb Skandinaviens erstreckt wird. Uns als Kunden kann das nur freuen, kommen wir doch so in den Genuss Sundscher Szenerieentwicklungen außerhalb des nördlichen Kontinents.
Den Anfang macht dabei nun ein deutscher Flughafen, der schon lange wie eine offene Wunde im deutschen Flughafennetz für die 64-Bit Simulation Prepar3D v4 klaffte: Köln-Bonn. Die alte GAP (German Airports Team) Szenerie war beim besten Willen nicht mehr dazu zu überreden, im nietennagelneuen Simulator zu laufen. Zum Glück hat sich Aerosoft im Fall Köln-Bonn dazu durchgerungen, die Szenerie von Grund auf neu für 64 Bit zu entwickeln, anstatt die betagte Altlast aufzupeppen und mit einem „Professional“ Siegel zu versehen wie unschönerweise unter anderem bei Stuttgart und Frankfurt geschehen.
Und das Ergebnis gibt Aerosoft voll und ganz recht. Im Gegensatz zu Stuttgart und Frankfurt ist die neue Köln-Bonn Szenerie ein ganz großer Wurf. Es gibt nur wenige andere Flughafenszenerien (wie z.B. Flightbeams Umsetzungen), die an den Detailreichtum und die Authentizität von „Köln-Bonn Professional“ heranreichen. Und um eins vorwegzunehmen: die Grafikpracht geht nicht notwendigerweise zu Lasten der Performance. Mithilfe des mitgelieferten Konfigurationsprogramms kann der Hobbypiloten die Szenerie sehr genau an die Leistungsfähigkeit des eigenen PCs anpassen.
Bereits beim ersten Laden der Szenerie fällt die schiere Menge modellierter Objekte und eine unheimliche Liebe zum Detail auf. Überall wächst Gras aus Betonritzen, fahren animierte Bodenfahrzeuge emsig über den Apron, stehen allerlei Container, Schlepper, Treppen und anderes typisches Flughafengerät herum. Sogar die Türen für die Gepäckwagen ins Terminal hinein sind animiert und öffnen und schließen sich wie von Geisterhand. Das gleiche gilt für animierte Drehtüren für Passagiere, die über das Vorfeld zum Flieger müssen.
Fast selbstverständlich erscheint da die gelungene Einbindung von SODE Jetways, die auch ganz ohne Mucken mit GSX kooperieren.
Naturgemäß gibt es um die Startbahnen herum recht detailliert gestaltetes 3D Gras, das im Winter auch verschwindet und nicht wie in vielen anderen Szenerien grün durch den Schnee sprießt. Das gleiche gilt auch für eingangs erwähntes Ritzengras im Beton – auch jenes zieht sich im Winter vornehm zurück und weicht ein paar verwehten Schneeflocken. Wenigstens im Simulator herrscht also noch Winter.
Ebenso nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, aber zum Glück bereits bei vielen modernen Szenerien und eben auch in Köln-Bonn in Verwendung sind transparente Glasflächen und aufwendig gestaltete Innenräume in den Hauptterminals. Das gilt im Fall Köln-Bonn für beide Passagierterminals, wobei naturgemäß das neuere Terminal 2 rein optisch besser abschneidet, aber dafür kann der Szenerieersteller wenig. Als optischen Leckerbissen gibt es außerdem noch animierte Passagiere im Terminal – vorausgesetzt man hat diese im Config Tool aktiviert.
Knipst man im Simulator das Licht aus, bekommt der Flughafen noch einmal eine ganz andere Stimmung verpasst. Die vielen künstlichen Lichtquellen verwandeln den Airport in ein sehr authentisch wirkendes Gebilde, das auch bei Nacht voll und ganz überzeugen kann. Und das ebenfalls ohne große Performanceeinbrüche. Sollte es doch zu Rucklern kommen, empfiehlt sich, im Konfigurationsprgramm die Einstellungen für Nachttexturen herunterzustellen. Ebenso verbietet sich die Anwendung von Supersampling Antialiasing (SSAA) zumindest bei anspruchsvollen Fliegern vom Schlage eines FSLabs Airbus fast von selbst.
Da Köln-Bonn nicht nur ein Passagierflughafen, sondern auch ein großes Frachtdrehkreuz ist, spendierte Jo Erlend Sund diesem ausladenden Teil des Flughafens mindestens ebensoviel Aufmerksamkeit wie den beiden Passagierterminals, was wieder einmal für die Detailverliebtheit des Entwicklers spricht. Sogar in den Innenhöfen des Frachtterminals fahren LKWs herum und gibt es Tunneleinfahrten. Diese Kleinigkeiten lassen andere Entwickler schon gern mal unter den Tisch fallen, da sich die meisten Flugsimulanten sicher eher selten hierher verirren. Allerdings sind es genau diese Kleinigkeiten, die das Herz höherschlagen lassen, erkennt man doch daran, wie genau es der Entwickler mit der Umsetzung nimmt.
Auch auf der anderen Seite des Flughafens, abgewandt vom eigentlichen Flugbetrieb, spendiert Sund den Parkgaragen und Zufahrten noch jede Menge Aufmerksamkeit. Das spielt insofern auch für den Flugbetrieb eine Rolle als dass man im Endanflug auf die Bahn 14L sehr nah an diesen Gebäuden vorbeifliegt.
Fazit
Man kann Aerosoft zu dem Schritt, Jo Erlend Sund für die Erstellung von „Köln-Bonn Professional“ zu gewinnen, nur gratulieren. Ebenso zum radikalen Bruch mit Altlasten in Form hoffnungslos ausgedienter GAP Szenerien, die schlicht keinen weiteren Aufguss mehr vertragen, um in die 64-Bit Welt katapulitert zu werden. So kommt der Freizeitpilot in den Genuss einer komplett neuen Szenerie, die aus dem Vollen schöpft und mit einem Detailreichtum, den man selten zuvor gesehen hat, das Potenzial der neuen Simulatorarchitektur von Prepar3D v4 voll ausnutzt. Diese Szenerie verdient den Zusatz „Professional“ voll und ganz, und der Kunde ist auch gern bereit, knapp 30 Euro für einen solchen Leckerbissen auszugeben.
Testsystem
Intel Core i9-9900K (3,6 GHz, 8 Kerne, 16 Threads), @ 5GHz (alle Kerne)
G.Skill 32GB RAM, 3200MHz, CL14
Asus GeForce GTX 1080i STRIX OC
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