Es gibt wenige Flugzeuge für den Simulator, die geschichtlich so aufgeladen sind, wie die Boeing 737-200: Eine Lufthansa Maschine dieses Typs mit dem Taufnamen „Landshut“ (Luftfahrzeugkennzeichen „D-ABCE“) erlangte am 13. Oktober 1977 unrühmliche Bekanntheit als vier palästinensische Terroristen auf dem Weg von Palma de Mallorca nach Frankfurt den Kapitän töteten und das Flugzeug entführten. Der Rest ist Geschichte. Nach einem tagelangen Irrweg quer durch Europa und Afrika konnte die nach dem Olympia Attentat von München geschaffene Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes „GSG 9“ am 18. Oktober 1977 die Maschine auf dem Vorfeld des Flughafens Mogadischu stürmen und alle Geiseln befreien. Nach dem Attentat wurde die Maschine repariert, verrichtete noch ein paar Jahre für die Lufthansa Dienst und wurde 1985 schließlich verkauft. Im vergangenen Jahr entschied sich dann die Bundesregierung, das mittlerweile schrottreife Flugzeug von der letzten Besitzerin, der brasilianischen TAF, zurückzukaufen und nach Friedrichshafen ins Dornier Luftfahrtmuseum zu bringen, dort wieder aufzubauen und ab 2019 auszustellen. Die Boeing 737-200 Advanced Nach diesem kleinen Ausflug in die Geschichte werfen wir nun aber einen Blick auf die Umsetzung der Boeing 737-200 für X-Plane. Um genau zu sein, handelt es sich dabei um die „Advanced“ Variante der -200, die im Vergleich zur Original Version über verbesserte Triebwerke und Avionik verfügte. Zu erkennen sind die ersten Versionen der Boeing 737 (die -100 eingeschlossen) sofort an ihren im Vergleich zu späteren Varianten („Classic“, „NG“ und „MAX“) wesentlich längeren und schlankeren Triebwerken. Später, ab der „NG“ oder „Next Generation“ Version kamen statt der Pratt & Whitney JT8D Triebwerke modernere CFM Triebwerke zum Einsatz, deren äußere Form sich bis zur jüngsten „MAX“ Generation nur in Nuancen geändert hat. Auch die HF (Kurzwelle) Antenne, die von der vorderen Kante des Seitenleitwerks zum Rumpf führt, ist charakteristisch für die -200er. Sie diente vor allem der Kommunikation in entlegenen Gebieten, in denen VHF Funk nicht zu nutzen war. In der Simulation kann sie übrigens an- oder abgeschaltet werden.
Die HF Antenne und die langen, schlanken JT8-D Triebwerke machen die „-200“ unverwechselbar.
Insgesamt 1095 Maschinen dieses Typs lieferte Boeing bis 1988 aus. Mit Stand Juli 2015 gab es davon weltweit immerhin noch 99 Maschinen, die vor allem bei regionalen Billigfluggesellschaften und in Entwicklungsländern zum Einsatz kommen. Ausgedient hat die -200 also noch lange nicht, auch wenn sie den Zenit ihrer kommerziellen Nutzung mit Sicherheit seit langem überschritten hat. Worin besteht dann überhaupt der Reiz, sich in der Simulation mit einem Flugzeug auseinanderzusetzen, das zumindest in unseren Breitengraden nicht mehr zum Einsatz kommt? Die Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ein Grund liegt sicher darin, dass man sich anhand dieses Klassikers mit den Wurzeln eines modernen Flugzeugs, wie der Boeing 737NG befassen kann, die es schließlich schon seit langem zumindest für Nutzer von Flightsimulator X (FSX) und Prepar3D (P3D) in sehr detaillierten Umsetzungen von PMDG gibt. Fast jeder von uns hat diesen Flugzeugtyp vermutlich im Hangar stehen und fliegt regelmäßig damit. Die meisten werden die gängigsten Systeme sicher auch aus dem Eff Eff beherrschen. Aber wie sich diese über die Jahre entwickelt haben, wann und wie sie Eingang fanden in die modernen Cockpits der heutigen Airliner, das bleibt den meisten verborgen. Und doch ist gerade dieses Verständnis der Geschichte der Avionik und aller anderen Systeme sehr hilfreich, will man deren Funktionsweise wirklich begreifen. In diesem Zusammenhang soll die Umsetzung der Boeing 737 Classic von iXEG ebenfalls für X-Plane nicht unerwähnt bleiben, die die Lücke schließt zwischen der -200 und den „NG“ Varianten der PMDG Modelle.
Zurück in die Zukunft: Wer diesen Uhrenladen bedienen kann, hat auch mit den modernen Cockpits einer 737 „NG“ keine Probleme.
Die „FlyJSim 732 Twinjet Professional v3“ – so der etwas sperrige Name der Simulation – ist eine „study level“ Umsetzung der Boeing 737-200 Advanced inklusive eines Fehlermodells, das Ausfälle bestimmter Instrumente und Systeme auf Wunsch simuliert. Es gibt kein wichtiges System, das in der Simulation nicht umgesetzt ist. Damit auch ein Hobbypilot, der vorher noch nie in einer 737 gesessen hat, schnell mit dem Flugzeug zurecht kommt, hat FlyJSim Handbücher beigelegt, die in unterschiedlicher Tiefe sämtliche Systeme beschreiben. So gibt es neben einem Dokument, das die Installation sowie grundlegende Einstellungen erklärt, zwei jeweils 112 Seiten dicke Handbücher, die ähnlich dem original Boeing FCOM (Flight Crew Operating Manual) alle wichtigen Systeme und Prozeduren (Normals und Supplementary) erklären. Dazu kommt eine Schritt-für-Schritt Anleitung mit allen Flows für jede Phase des Fluges, die zum einen einen schnellen Einstieg ermöglicht, zum anderen aber auch später eine gute und schnelle Referenz ist, sollte man etwas aus der Übung gekommen sein, was die Bedienung des Fliegers angeht und man sich nicht durch die dicken FCOM ähnlichen Wälzer wühlen will. Einstellungen Sämtliche grundlegende Einstellungen am Flugzeug sowie Beladung, Bedienung der Türen und Anpassungen der Fehlersysteme lassen sich über sechs kleine Einblendmenüs vornehmen. Wie immer sind diese Menüs auf 4k Bildschirmen kaum zu entziffern, weil viel zu klein, erfüllen aber ansonsten ihren Zweck. Besonders hilfreich ist der Performance Take Off und Landing Calculator, der die Referenzgeschwindigkeiten für Start und Landung sowie das De-Rating der Triebwerke beim Start berechnet und auch gleich in den Flieger einspeist. Das ist wichtig, da es für die Boeing 737-200 kein passendes Modul für den ansonsten sehr guten Take Off Performance Calculator „TOPCAT“ gibt. Nachteil ist allerdings, dass man diese Geschwindigkeiten und De-Rating Werte im Flugzeug nicht von Hand ändern kann, was in den allermeisten Fällen zwar auch nicht nötig sein sollte, aber bei nasser oder anderweitig kontaminierter Start- oder Landebahn hilfreich wäre. Die FlyJSim 732 verfügt über keinen eingebauten Pushback Service. Allerdings ist der Flieger vollständig kompatibel mit dem als Freeware erhältlichen Pushback Tool „Better Pushback„, das meiner Meinung nach schon in der jetzigen Alpha Phase besser ist als die Pushback Funktion des Konkurrenzproduktes „GSX“ in der Parallelsimulatorwelt von P3D und FSX. Dabei haben sich die FlyJSim Entwickler etwas ganz besonderes einfallen lassen: „Better Pushback“ lässt sich nämlich nicht nur klassisch über das Menü aufrufen, sondern auch über einen längeren Druck auf den „GRD Call“ Knopf im Cockpit. Optik Zum Aussehen des Fliegers muss man eigentlich nicht viele Worte verlieren, sondern Bilder sprechen lassen. Denn die Optik ist tatsächlich über jeden Zweifel erhaben. Sämtliche Texturen und Schriften sind sowohl innen wie außen extrem scharf und hochauflösend. Das gilt sogar für die Kabine, die sonst eher stiefmütterlich behandelt wird, was den Aufwand der Modellierung angeht. Selbst Dreck, der sich an den Tragflächen ansammelt, ist modelliert. Dabei drückt die ganze Grafikpracht nicht auf die Performance. Die 737-200 zeichnet sich durch eine sehr flüssige Darstellung aus. Zu keinem Zeitpunkt, selbst bei schwierigsten Wetterverhältnissen, gab es irgendwelche Ruckler. Bedienung Die gute Nachricht ist: Wer bereits die 737NG entweder in X-Plane oder P3D/FSX geflogen ist, wird sich schnell in der 737-200 zurechtfinden. Denn viele Systeme gleichen denen des neueren Bruders. Die schlechte Nachricht ist: Viele Prozeduren unterscheiden sich in Nuancen. Das führt dann schon mal dazu, dass man in alter Gewohnheit beide Packs aktiviert, solange nur die APU läuft, und wundert sich, warum es in der Kabine partout nicht wärmer oder kälter werden will. Die APU in der 737-200 ist offenbar so schwachbrüstig, dass sie es nicht schafft, zwei Packs gleichzeitig zu befeuern. Deshalb sollte man immer nur ein Pack einschalten, wenn nur die APU Bleed Air bereitstellt. Das gilt übrigens auch für den Fall, dass eines der beiden Triebwerke, zum Beispiel bei einem Triebwerksausfall, keine Bleed Air liefert. Auch dann sollte man ein Pack abschalten. Doch selbst wenn man alles richtig gemacht hat, dauert es eine halbe Ewigkeit, die Kabine auch nur einigermaßen auf Wohlfühltemperatur zu bekommen. Für die mangelnde Leistungsfähigkeit entschädigt das Hilfstriebwerk allerdings mit einem bombastischen Sound beim Hochfahren der Hilfsturbine.
Wer schon mal eine 737NG geflogen ist, dem sollte das Overhead Panel der -200 keine größeren Überraschungen bereiten. Unterschiede gibt es im Detail.
Der größte Unterschied zwischen „NG“ und den Ur-737 wie eben der 737-200 liegt aber sicher in den Avionik Instrumenten. So fehlen in der 732 PFD (Primary Flight Display) und ND (Navigation Display) komplett. Stattdessen finden sich klassische Rundinstrumente mit MACH/Airspeed Indicator, Altitude Indicator, Horizontal Situation Indicator, Vertical Speed Indicator und vieles mehr, was in modernen Cockpits schön zusammengefasst auf einem Display erscheint. Konsequenterweise erfolgt natürlich auch die Navigation nicht über die Eingabe eines Flugplans in das FMS (Flight Management System) und das Abfliegen des selben. Vielmehr kann man die 732 ganz klassisch ausschließlich über VOR zu VOR Navigation fliegen ohne Zuhilfenahme anderer Navigationsinstrumente. Oder man entscheidet sich für das optionale „CIVA“ Plugin, das eine rudimentäre Navigation per „INS“ (Inertial Navigation System) ermöglicht. Für die ganz modernen Piloten unter uns, gibt es dennoch die Möglichkeit, per GPS und eingebautem FMS eine geplante Route abzufliegen. Eine entsprechende Option in den Einstellungen implantiert das Standard X-Plane FMS im Handumdrehen ins Pedestal. Eine magenta Linie kann man allerdings damit natürlich immer noch nicht abfliegen, denn ein ND besitzt die 732 damit noch lange nicht. Und das ist auch gut so. Autopilot Kann man sich die Arbeit mit den klassischen Rundinstrumenten noch erschließen, da sich diese prinzipiell nicht wesentlich von einer Cessna 172 unterscheiden, bedarf es bei der Einarbeitung in den Autopiloten doch eines Blicks ins Handbuch. Dem Sperry SP-77 merkt man seine Anlehnung an klassische Autopiloten aus einer anderen Generation an. So gibt es zwei Hebel, um den Autopiloten in Betrieb zu nehmen: Je einen für die Ailerons und die Elevator. Auch die Knöpfe für die Aktivierung der verschiedenen Modi haben nichts gemein mit modernen Autoflightsystemen, auch wenn die Bezeichnungen teilweise recht ähnlich sind. Verwirrung stiften am Anfang vor allem die separaten Drehknöpfe zur Einstellung des Flight Directors und des eigentlichen Autopiloten. In modernen Flugzeugen sind die beiden Systeme meist gekoppelt und synchronisiert. In der 737-200 kann man beide Systeme unabhängig voneinander bedienen. Nach dem Studium des Handbuchs und einem grundlegenden Verständnis der Systemlogik hat man den Dreh im wahrsten Sinne des Wortes allerdings schnell raus und man weiß die Effizienz des einfachen Autopiloten zu schätzen.
Das Autopilot Panel ist gewöhnungs- und einarbeitungsbedürftig aber sehr effizient in seiner Schlichtheit.
Flugverhalten X-Plane typisch reagiert die 737-200 sehr genau und fast übertrieben empfindlich auf Joystick und Rudereingaben. Allerdings bekommt man so auch eine sehr genaue und direkte Rückkopplung. Man spürt förmlich, wie sich das Flugzeug durch die umgebende Luftmasse bewegt. Viel mehr als in P3D oder FSX rächt sich eine falsche Trimmung beim Start oder beim Landeanflug. Korrekturen wollen feinfühlig und wohl dosiert erfolgen, ansonsten tanzt die Maschine wie ein Blatt im Wind. Apropos Wind. Bei turbulenten Witterungsbedingungen schüttelt es die Maschine gehörig durch, begleitet von einem sehr realistisch anmutenden Geschepper der Kabine und der gesamten Flugzeugkonstruktion, sogar die Tragflächen verbiegen sich realistisch bei jeder Windböe. Das ist Flugvergnügen pur. Einen Malus gibt es dennoch. Und das geht nicht einmal aufs FlyJSim Konto. In Version 11.10 hat X-Plane Entwickler Austin Meyers den so genannten „Ground Effect“ neu programmiert und „realistischer“ gestaltet. Damit einher geht aber auch die Notwendigkeit für alle Flugzeugentwickler, ihr jeweiliges Flugmodell an diese neuen Formeln anzupassen. Das dauert naturgemäß seine Zeit. In der jetzigen Version der FlyJSim 732 (v3.1801.1111) ist diese Anpassung noch nicht erfolgt. Das wird jeder sofort und direkt beim ersten Take Off bemerken. Denn rotiert man die Maschine wie gewohnt mit recht beherztem Zug am Joystick oder Yoke, um die Maschine mit 2-3 Grad pro Sekunde auf 15 Grad Nose Up Pitch für den Initial Climb zu bringen, sackt die Maschine, kurz nachdem sie die Startbahn verlassen hat wieder zurück auf die Runway. Die einzige Abhilfe, bis ein Update erscheint, das dem neuen „Ground Effect“ Rechnung trägt, ist, extrem vorsichtig mit wohl dosiertem Zug am Yoke zu rotieren. Das verhindert zumindest das Absacken auf die Runway. Ein realistisches Startverhalten ist das dann zwar immer noch nicht, aber es verhindert zumindest Schaden an der Maschine, der unweigerlich eintritt, hat man das Schadenmodell aktiviert. Geplatzte Reifen sind dann noch das geringste Übel. Ansonsten lässt sich die Maschine aber ganz hervorragend von Hand fliegen sobald man die Nähe des Bodens verlassen hat. Ein manueller Climb bis auf FL100 oder ein langer, visuell und von Hand geflogener Approach sind eine wahre Freude für jeden Hobbypiloten mit nur etwas Kerosin im Blut. Die Kabine Last but not least ein paar Worte über die Simulation außerhalb des Flightdecks. X-Plane typisch ist bei der FlyJSim 732 auch die Kabine modelliert. Das allerdings auf einem vollkommen neuen Niveau. Die Detailverliebtheit, die in die Umsetzung der Kabine eingeflossen ist, rechtfertigt es fast, von einer separaten Simulation der Kabine zu sprechen. Nicht nur lassen sich die Fensterabdeckungen bewegen und die Klappen der Gepäckfächer öffnen, man kann auch die Arbeit der Flugbegleiter übernehmen und das Licht in der Kabine genauso steuern wie in der Realität. Die entsprechenden Schalter am Sitzplatz der Cabin Crew sind allesamt modelliert und funktionsfähig. Auch der Sound in der Kabine ist über jeden Zweifel erhaben. Es macht wirklich Spaß, sich während des Reiseflugs oder auch in der Wiederholung bei der Landung in die Kabine zu setzen und dem Knarzen und Rauschen des Flugzeugs zu lauschen.
Die Kabinenbeleuchtung lässt sich in allen Nuancen wie auch im realen Vorbild einstellen: Hier der Nachtmodus.
Fazit Mit der „FJS 732 Twinjet Professional v3“ hat Entwickler FlyJSim eine wahrhaft gelungene Umsetzung der Boeing 737-200 Advanced für X-Plane in die virtuelle Luft gebracht. Nicht nur überzeugt dieser Klassiker der Luftfahrt mit einer nahezu kompletten Simulation aller Systeme und Avionik inklusive eines Fehler- und Schadenmodells, es ist auch eine sehr „lebendige“ und äußerst realistische Umsetzung. Dazu trägt neben extrem hochauflösenden Texturen und viel Liebe zum Detail sowohl in der Außenansicht wie auch im Cockpit und der Kabine ein äußerst realistischer Sound bei. Die Integration verschiedener Navigationsoptionen (VOR zu VOR, CIVA oder FMS) gestalten darüber hinaus die Verwendung des Add-Ons sehr flexibel. Abgerundet wird das Gesamtpaket mit einer sehr ausführlichen Dokumentation und einem durchdachten System für die Beladung, Türmanagement und Berechnung der Take Off und Landing Performance. Die „FJS 732 Twinjet Professional v3“ ist im x-plane.org Store für 69,95 US-Dollar (ca. 56 Euro) zum Download für X-Plane 11.10 oder höher verfügbar.

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