Wo Boeing draufsteht ist manchmal McDonnell Douglas drin: Boeing 717-200 von TFDi im Test
Betaphase fast abgeschlossen – Veröffentlichung der finalen Version Anfang des Jahres
All diejenigen unter uns, die schon etwas länger im Flugsimulator unterwegs sind, werden sich schmerzlich an den Abschied in Raten von der MD-11 erinnern, den wir beim Umstieg von Flightsimulator X (FSX) auf Prepar3D (P3D) hinnehmen mussten. Ließ sich die „alte Lady“, wie sie liebevoll genannt wurde, unter den 32-Bit Versionen von P3D noch mit etwas Aufwand zum Fliegen überreden, war mit dem Erscheinen der 64-Bit Version P3D v4 endgültig Schluss mit der Nostalgie aus dem Hause McDonnell Douglas.
Aber wie so oft im Leben gilt auch hier: Der König ist tot, es lebe der König. Denn mit der TFDi Boeing 717 gibt es mittlerweile eine Alternative, die, was die grundlegende Bedienlogik angeht, der guten alten Lady sehr nahe kommt, und somit allen MD-11 Fans, und nicht nur denen, das Herz höher schlagen lassen dürfte.
Verfügbar ist die TFDi 717 bereits jetzt in einer finalen, offiziellen Version für P3D v1-3 und FSX (alles 32 Bit). Nutzer von P3D v4 (64 Bit) sind noch auf die Betaversion angewiesen, die allerdings kurz vor ihrem Abschluss steht. Die offizielle Veröffentlichung der Version 1.1, die dann sowohl FSX wie sämtliche P3D Varianten unterstützt, soll in Kürze, Anfang dieses Jahres erfolgen.
Das reale Vorbild – die Boeing 717-200
Von allen drei Varianten, die es jemals von der Boeing 717 geben sollte, ist die 717-200 die einzige, die es vom Reißbrett in die Luft geschafft hat. Die Entstehungsgeschichte der „B712“ ist dabei mindestens genauso interessant wie die Maschine an sich. Denn es war nicht Boeing, aus deren Feder die Ideen zur 717 stammten, sondern McDonnell Douglas. Das Flugzeug war ursprünglich als Nachfolgerin der MD-90 unter dem Namen MD-95 geplant. Mit der Übernahme von McDonnell Douglas durch Boeing im Jahr 1997 allerdings ging dann die Entwicklung und Produktion des neuen Typs auf Boeing über und wurde fürderhin 1999 als „Boeing 717-200“ auf den Markt gebracht.
Allerdings war der Verkauf der 717 von Anfang an kein Zuckerschlecken für die Sales Manager von Boeing, da mit dem Airbus A318, den Embraer Varianten und der CRJ jede Menge andere Flugzeugtypen auf der Kurzstrecke wilderten. Auch hielt sich die Liebe innerhalb der Konzernfamilie zur 717 in Grenzen, da sie aufgrund ihres McDonnell Douglas Erbes nicht wirklich kompatibel mit anderen Produkten des Unternehmens war. Und so erblickten gerade einmal 155 Stück der Boeing 717 das Licht der Flugzeugwelt.
Interessanterweise veränderte sich aber nach Produktionsende 2006 die Nachfrage nach der 717 dramatisch. Durch sinkende Spritpreise und gute Leasingangebote stieg die Popularität des Kurzstreckenfliegers ungemein. Derzeit ist ein regelrechter Kampf um die 155 jemals gebauten und allesamt noch in Betrieb befindlichen Boeing 717-200 ausgebrochen. Delta Airlines ist derzeit Spitzenreiter mit 91 Maschinen im Dienst, es folgen mit gebührendem Abstand Qantas Link (20), Volotea (19), Hawaiian Airlines (18) und Turkmenistan Airlines (7).
Wie das weitere Schicksal dieser Maschinen aussieht, wissen wir nicht. Was wir aber wissen, ist, dass TFDi mit ihrer Version der 717-200 diesen Flugzeugtyp zumindest für die Simulatorwelt noch auf lange Sicht erhält. Denn die Umsetzung für FSX and alle Varianten von P3D kann sich rundum sehen lassen.
Community Opt-In Beta
Mittlerweile nutzen viele Entwickler die Möglichkeit, ihre Produkte, noch bevor sie in ihrer finalen Version auf den Markt kommen, von einer breiteren Nutzerzahl auf Herz und Nieren überprüfen zu lassen. Manche nennen das dann „public beta“, TFDi entschied sich für „Community Opt-In Beta“. Das Funktionsprinzip bei TFDi: Jeder Käufer der Boeing 717-200 hat die Möglichkeit, entweder mit der jeweils letzten öffentlichen „nicht-Beta“ Version zu fliegen, oder sich für die „Community Opt-In Beta“ anzumelden. Entscheidet man sich für letztere Variante, die für Nutzer von P3D v4 zwingend ist, bekommt der Flugsimulant in regelmäßigen Abständen Aktualisierungen über den Add-On Konfigurator eingespielt und erhält so immer den jeweils letzten Stand der Entwicklung mit allen Neuerungen aber eben auch allen möglichen Fehlerquellen.
Der Vorteil für beide Seiten liegt auf der Hand: TFDi kann Probleme schneller erkennen, da Hunderte von Betatestern eher auf Ungereimtheiten stoßen werden als eine erlesene Zahl interner Tester. Der Hobbypilot auf der anderen Seite profitiert von Funktionen, auf die er sonst lange warten müsste. Die Nachteile sind ebenso klar: Die schiere Zahl von Fehlermeldungen erfordert auf Seiten TFDis ein gutes Management der Fehlerberichte, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Der Nutzer lädt sich im Zweifel Versionen auf die Platte, die nicht stabil oder inkompatibel mit anderer Zusatzsoftware sind.
Die gute Nachricht ist in jedem Fall: Sämtliche Betaversionen, die im letzten Jahresviertel 2017 erschienen sind, sind ausgesprochen stabil. Es werden immer wieder neue Funktionen hinzugefügt oder kleinere Fehler beseitigt, es gibt aber – zumindest bei meiner Installation – keine unerklärlichen Abstürze oder Performance Probleme, wie das durchaus noch Mitte des Jahres 2017 der Fall war.
Zudem hat TFDi am Neujahrstag angekündigt, dass die finale Version 1.1 bald für die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen wird. Die Community Opt-In Beta soll nach der Veröffentlichung allerdings weitergeführt werden, um weiterhin kleine Fehler aufspüren und beseitigen zu können.
Das Flugzeug im Detail
Lädt man den Flieger das erste Mal im Simulator, schaut man sich natürlich als erstes das äußere Erscheinungsbild genau an. Die Texturen der Außenhaut sind durchaus gut aufgelöst, allerdings sollte man keine 4k Texturen erwarten. Höher aufgelöste Texturen sollen dem Vernehmen nach im Laufe dieses Jahres nachgeliefert werden. Allerdings macht das Außenmodell auch jetzt schon einen sehr authentischen Eindruck. Inwieweit alle Static Ports, Luken und Klappen realistisch und nah am Original umgesetzt wurden, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis, da ich noch nie mit einer 717 geflogen bin. Festzuhalten bleibt, dass das Außenmodell sehr genau gearbeitet ist. Es gibt keine ungebührlichen Lücken oder gar verwaschene Texturen und sieht einfach sehr elegant aus.
Im Inneren des Fliegers überrascht das Modell dann allerdings mit sehr hoch aufgelösten und scharfen Texturen. Diese Qualität sucht momentan ihresgleichen im Flugsimulator. Alle Knöpfe und Hebel sind sehr detailliert modelliert, die Beschriftungen sehr klar und gut zu lesen. Um die Authentizität noch ein wenig zu steigern, haben die Entwickler auch nicht vergessen, auf Glasflächen Fingerabdrücke zu hinterlassen. Gerade das Tablet könnte durchaus ein Putztuch vertragen.
Apropos Glas: Mit „TrueGlass“ hat TFDi eine neue Technologie implementiert, die den Realitätsgrad der optischen Darstellung von z.B. Regen und in Zukunft auch Eis auf der Windschutzscheibe weiter verbessert bzw. überhaupt erst ermöglicht. Und in der Tat hat Regen noch nie so gut ausgesehen wie in der TFDi Boeing 717. Man ist fast traurig, wenn im Simulator die Sonne strahlt, wird man doch so dieses optischen Leckerbissens beraubt.
Auch die Beleuchtung des Fliegers bei Nacht – egal ob in der Außen- oder Innenansicht – ist das Beste was man derzeit in P3D v4 zu sehen bekommt. Hier hat TFDi aus dem Vollen geschöpft. Nutzer von FSX oder der älteren P3D Versionen bekommen diese Pracht allerdings nur unvollständig zu Gesicht, da viele der neuen Beleuchtungseffekte nur von P3D v4 unterstützt werden.
Handhabung und Systemtiefe
Doch das Cockpit sieht nicht nur gut aus. Denn bei der TFDi 717 handelt es sich nicht um einen Freizeit-Flieger, den man mal eben nebenher von A nach B schippern kann, ohne sich mit den Funktionen des Flugzeugs genauer auseinander zu setzen. Vielmehr ist die 717 ein „study-level“ Flugzeug. Das heißt, fast alle Systeme sind genauso umgesetzt und funktionieren ebenso wie im großen Vorbild. Leider finden sich im Installationsumfang der 717 keine Original Handbücher der Boeing 717 wie das z.B. beim Wettbewerb von PMDG der Fall ist. Allerdings liefert TFDi eine sehr genaue Anleitung inklusive Checklisten und einer genauen Beschreibung der MCDU (Multi Purpose Control and Display Unit) mit, so dass der Flieger „as real as it gets“ in Betrieb genommen und geflogen werden kann.
Und hier schließt sich der Kreis zur MD-11 vom Anfang. Denn wer mit der MD-11 fliegen kann, kann im Grunde auch mit der 717 umgehen. Die Logik des Autopiloten, das Layout des Glareshields und so gut wie alle anderen Funktionen des Fliegers sind denen in einer MD-11 zum Verwechseln ähnlich. Jeder MD-11 Pilot wird sich hier sofort heimisch fühlen. Hier kann auch jeder nachvollziehen, warum Boeing sich mit dem Flugzeug so schwer tat. Denn Gemeinsamkeiten mit der Bedienlogik einer Boeing gibt es kaum. Doch egal, ob man vorher schon einmal mit der MD-11 geflogen ist, oder frisch auf die 717 „umschult“, dem Hobbypiloten sei geraten, sich intensiv mit den Handbüchern auseinander zu setzen. Denn nur dann wird sich der Flieger so benehmen, wie man sich das vorstellt. Gerade der Autopilot hat ein paar Tricks auf Lager, die man vorher besser gelernt haben sollte, will man keine bösen Überraschungen erleben.
Auch wenn man den Autopiloten beherrscht, am meisten Spaß macht es, die 717 per Hand zu fliegen. Es gibt wenige simulierte Flugzeuge, die sich so gut manuell fliegen lassen wie die 717. Hier macht es wirklich Spaß, den Autopiloten bis 10 000 Fuß einfach ausgeschaltet zu lassen, und die Abflugroute (SID) per Hand abzufliegen. Die Landung erfordert allerdings auch erfahrenen Hobbysimulanten etwas Eingewöhnung ab, denn die Tragflächen sitzen relativ weit hinten und auch die am Heck befestigten Triebwerke verlagern das Schwergewicht eher ans Ende des Fliegers, was das Abfangen kurz vorm Touchdown zu einer gewissen Herausforderung macht, vor allem wenn man tendenziell zu langsam ist. Zu schnell sollte man allerdings auch nicht sein, da die 717 zum Floaten neigt. Hier ist schlicht und ergreifend Übung gefragt. Hat man den Dreh aber einmal raus, macht es Laune, die 717 sanft auf die Landebahn zu setzen.
Nur gemeinsam fliegen ist schöner
In der Vergangenheit hatten fast alle großen Airline Jets im Flugsimulator damit zu kämpfen, dass sie allein geflogen werden müssen. Nicht nur ist das sehr unrealistisch, es kann auch dazu führen, dass man gerade bei Online Flügen, bei denen auch noch gefunkt werden muss, komplett überfordert ist, und das Flugzeug schlicht nicht mehr korrekt fliegen kann. Jeder noch so geschickte Pilot kann nicht gleichzeitig von Hand eine SID fliegen, Audio- und Navigationsfrequenzen wechseln und Headings eindrehen. Irgendeine dieser Aufgaben kann dann zwangsläufig nicht mehr korrekt ausgeführt werden.
Ein Ausweg wäre natürlich, sich wie in der Realität auch, die Arbeit teilen zu können. Die Lösung im Simulator heißt „Shared Cockpit“, eine Funktion, die immer mehr Entwickler in ihren Add-On Flugzeugen implementieren, so auch TFDi bei der Boeing 717.
Auch wenn die Einstellungen im Konfigurationstool am Anfang etwas verwirrend sind, steht die Verbindung zwischen den beiden PCs einmal, verläuft der eigentliche Flug vollkommen reibungslos. Es kann sogar während des Fluges die Aufgabenverteilung zwischen Pilot Flying (PF) und Pilot Not Flying (PNF) gewechselt werden. Die Shared Cockpit Funktion macht das Fliegen nicht nur realistischer, es vereinfacht und beschleunigt viele Abläufe ungemein. So können sich die beiden angehenden Piloten z.B. auch beim Preflight die Arbeit realistisch aufteilen, was die Vorbereitungszeit für einen Flug dramatisch verkürzt. Gerade bei Billigfliegern à la Volotea ein Muss.
Konfiguration und Updates
Vorbildlich umgesetzt ist bei TFDi der Add-On Manager. In diesem zentralen Programm lassen sich alle Einstellungen für das Flugzeug, und derer gibt es viele, vornehmen. Ebenso lädt das Tool alle relevanten Updates selbständig herunter, was gerade in der Betaphase enorm wichtig ist. Aber auch später verpasst man so nie die jeweils aktuellen Versionen des Flugzeugs. Davon können sich einige andere Hersteller eine Scheibe abschneiden.
Auch die Beladung und Betankung des Flugzeugs erfolgt über den Add-On Manager sehr bequem. Die Daten werden per Knopfdruck in die Simulation übertragen. Im Flugzeug selbst kann man dann auf dem Tablet, das als EFB (Electronic Flight Bag) dient, auch die korrekten Daten für die Performance Berechnungen für den Start, wie z.B. den Schwerpunkt (Center of Gravity – CG) ablesen.
Das Konfigurationstool bietet eine Vielzahl Einstellmöglichkeiten.
Immer auf dem aktuellsten Stand: Das Add-On Modul verwaltet alle Installationen selbständig.
Payload Manager: Über diese Seite wird die 717 beladen und betankt.
Fazit
Mit der Umsetzung der Boeing 717-200 ist TFDi nach langer Entwicklungszeit ein großer Wurf gelungen. Das Flugzeug kann, obwohl es sich noch in der Betaphase für Prepar3D Version 4 befindet, rundum überzeugen. Die Optik stimmt innen wie außen, vor allem das Cockpit besticht durch extrem scharfe Texturen. Alle wichtigen Systeme sind so umgesetzt wie im Original, so dass sich das Flugzeug nach Handbuch fliegen lässt. Der mitgelieferte Add-On Manager hält den Flieger nicht nur auf dem aktuellsten Stand, hier lassen sich auch die umfangreichen Einstellungen komfortabel vornehmen, der Flieger beladen sowie die „Shared Cockpit“ Funktion konfigurieren. Viel wichtiger aber noch: Die 717 besticht durch rundum gute Performance sowie hervorragende Handhabbarkeit und nicht zuletzt durch den Charme eines fast ausgedient geglaubten Fliegers, der vor allem aber nicht nur die Herzen von MD-11 Liebhabern höher schlagen lassen dürfte.
Die TFDi Boeing 717 ist im Downloadshop von TFDi für FSX sowie Prepar3D v1-3 für 59,99 USD (ca. 50 Euro) erhältlich. Für die Verwendung unter Prepar3D Version 4 ist nach dem Kauf eine Registrierung im „Community Opt-In Beta“ Programm notwendig.